Erfassung der Lebenssituation von Frauen und Kindern in Afghanistan nach dem Fall der Taliban (fact-finding mission für das Auswärtige Amt und den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD)

Aufbau einer Ultraschallsprechstunde mit Trainingskursen

Land: Afghanistan
Projektleitung: Michael Runge
Fördersumme: 25.000 Euro
Laufzeit: 2002
Lokaler Projektpartner: Deutsch-Afghanischer Ärzteverein
Förderer: Deutscher Akademischer Austauschdienst DAAD, materra
Kontakt: Michael Runge

Im Januar 2002 wurde unser Vorstandsmitglied Michael Runge vom Auswärtigen Amt und dem DAAD in seiner Eigenschaft als Experte für Frauengesundheitsfragen in Entwicklungsländern gebeten, Afghanistan bzw. Kabul zu besuchen, um eine Einschätzung der Situation der Frauen und Kinder nach dem Zusammenbruch des Taliban Regimes zu geben. Gleichzeitig sollte der Zustand der Universitäten und anderer Ausbildungseinrichtungen begutachtet werden. Die Ergebnisse sollten in einem Bericht mit Empfehlungen für das deutsche Engagement im zivilen Wiederaufbau des Landes ihren Niederschlag finden.

Erste Ankunft am Hindukusch in Kabul im Januar 2002

Kabul glich bei unserer Ankunft einer Trümmerlandschaft nach jahrelangem Bürgerkrieg, aber auch amerikanischen Bombardierungen in Folge von 9.11.
Die von uns besuchten Krankenhäuser waren in einem erbarmungswürdigen Zustand, war doch seit Jahrzehnten kaum Geld in das Gesundheitssystem geflossen, geschweige denn in die Versorgung von Frauen und Kleinkindern. Kaiserschnitte wurden aus Mangel an Ressourcen, wenn überhaupt nur zur Rettung der Mütter, aber nicht ihrer Kinder durchgeführt, was wiederum eine hohe Anzahl an geschädigten Kindern hervorbrachte, für die es wiederum keine spezialisierte Versorgung gab. Auf Grund fehlender und verbotener Empfängnisverhütung waren die Frauen tausendfach ungewollten Schwangerschaften und riskanten Abtreibungen ausgesetzt. Alles in allem stieg so die mütterliche und kindliche Sterberate und die Zahl der Erkrankungen auf nie vorher so gesehene Raten an. Afghanistan stellte 2002 weltweit das Rücklicht in Sachen Frauen- und Kindergesundheit dar.

Kabul liegt nach einem jahrelangen Bürgerkrieg in Schutt und Asche. In der Öffentlichkeit sind nur Männer und viele Kinder, aber nur wenige Frauen in blauer Burka zu sehen.

Bei allem Elend stachen aber doch immer wieder starke Frauen aus der so patriachalisch geprägten Gesellschaft hervor, die ich als die wirklichen Helden Afghanistans bezeichnen würde. Es waren Lehrerinnen mit Berufsverbot, die trotzdem heimlich Kinder unterrichteten, und Frauenärztinnen die trotzdem kranke und schwangere Frauen unter Einsatz ihres Lebens behandelten, weil sie eben Frauen waren.

Ihnen standen weder moderne Geräte noch Medikamente zur Verfügung, und sie riskierten trotzdem ihren Ruf und halfen. Im Alltag waren sie wie Krankenschwestern und Patienten oft den Schikanen und Übergriffen ihrer männlichen Berufskollegen ausgeliefert (letzteres führte übrigens dazu, dass heute in den Frauenabteilungen fast nur noch Frauen arbeiten).

Kinder und Frauen leiden als schwächste Mitglieder der Gesellschaft am meisten

Unsere Untersuchungen und Beobachtungen in Kabul 2002 führten zur Feststellung, dass Frauen und Kinder die bedürftigste Gruppe der afghanischen Gesellschaft darstellen, da ihnen die einfachsten Menschenrechte entzogen worden waren und ihr Gesundheitszustand zum Schlechtesten gehörte, was unser Planet mit all seinen Krisen und Kriegen im noch jungen neuen Jahrtausend zu bieten hatte.

Unsere Empfehlung lautete deshalb, dass sich ein deutsches Engagement im zivilen Wiederaufbau neben infrastruktureller Hilfe und militärischer Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte vor allem auf die Gesundheit der Frauen und ihrer Klein-
kinder und auf deren Schulbildung konzentrieren sollte
. Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sollten somit immer frauenrelevant und wenn möglich auch frauenspezifisch konzipiert sein.

Unter den Taliban war eine medizinische Versorgung der Frauen in Krankenhäusern unerwünscht und fast unmöglich. Nur wenige Frauenärztinnen riskierten ihr Leben und halfen trotzdem.

Unsere Erfahrungen wurden in einem Bericht in der FAZ am Sonntag (s. Presse) wiedergegeben und führten nach unserer Rückkehr zu einem Spendeneingang von 20.000 Euro. Da sich zu dieser Zeit eine weitere Kooperation mit dem Deutsch-Afghanischen Ärzteverein anbahnte, konzipierten wir mit den afghanischen Kollegen einen ersten Einstieg im Gesundheitssektor, indem wir das erste moderne Ultraschallgerät mit den eingegangenen Spenden finanzierten und Kollegen vor Ort die ersten Ultraschall-Kurse in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein Jahr lang durchführten.

Bis auf die Märkte war das öffentliche Leben in Afghanistan zum Erliegen gekommen. Frauen durften nur in männlicher Begleitung auf den Markt.

Kontakt: Michael Runge

Nach oben scrollen