Mittwoch, 28.4.2020 / Von Michael Runge
Eine Pionierin der Frauengesundheit in Afrika
Zum Tod von Dr. Catherine Hamlin

Dr. Catherine Hamlin kam 1959 mit ihrem Mann Reginald, der ebenfalls Arzt war, nach Addis Ababa, um eine Hebammenschule zu errichten. Hier wurden sie vom ersten Tag an mit einer der schlimmsten Komplikationen der Geburtshilfe – der geburtshilflichen Fistel konfrontiert.
Fisteln entstehen vor allem in ländlichen Gebieten ohne ausreichende geburtshilfliche Versorgung. Sie entstehen bei zu langen Geburtsverläufen, bei denen der kindliche Kopf im Becken feststeckt und durch Druck auf das umgebende Beckengewebe zu Schäden desselben durch fehlende Durchblutung und Sauerstoffmangel führt. Nach der Geburt stirbt das geschädigte Gewebe von Harnblase oder Enddarm ab und es entstehen Öffnungen/Fisteln von Blase und Darm zur Scheide hin. Nur eine rechtzeitige operative vaginale Entbindung oder ein Kaiserschnitt kann die Fistelentstehung verhindern. Über diese Fisteln entleert sich dann unkontrolliert Urin oder Stuhlgang in die Scheide. Frauen und Mädchen mit Fisteln werden auf Grund der permanenten Geruchsbelästigung von ihren Familien, Ehepartnern und der Gesellschaft ausgeschlossen und fristen ein bedauernswertes Leben in sozialer Isolation. Weltweit wird die Zahl der Frauen mit geburtshilflichen Fisteln auf 500 Tausend bis 2 Millionen geschätzt. Afrikanische Frauen sind auf Grund der unzureichenden medizinischen Versorgung, vor allem in ländlichen Bereichen, am meisten betroffen (3-4 neue Fälle/1000 Geburten).
Catherine Hamlin gründete 1971 das weltweit erste Fistel Hospital in Addis Ababa, in dem sie bis kurz vor ihrem Tod tätig war. Sie entwickelte eine ganzheitliche Versorgungstrategie mit Beratung, Operation, Ausbildungsprogrammen für afrikanische Ärzte, Nachsorge, Physiotherapie und Aufklärung. Sie entwickelte nicht nur die operativen Techniken weiter und passte sie den afrikanischen Gegebenheiten an, sondern sie hat in den vergangenen 61 Jahren mehr als 60.000 Frauen und Mädchen mit geburtshilflichen Fisten operiert und sie so vor den krankmachenden Effekten, sozialer Isolation und vorzeitigem Tod bewahrt.
Sie war für Generationen von afrikanischen Ärzten eine Inspiration, die im „Fistula Hospital“ in Addis Ababa die problematische Behandlung von geburtshilflichen Fisteln erlernten und dieses Wissen in alle Ecken des Kontinents transportierten.
Mit ihrem lebenslangen Engagement hat sie den im „Fistula Hospital“ operierten afrikanischen Frauen ihre Würde zurückgegeben. Vielfach ausgezeichnet hat sie es immer abgelehnt, als Heldin bezeichnet zu werden und begründete ihr Tun mit den schlichten Worten: „Ich bin einfach nur eine Frau“.
Dr. Hamlin verstarb am 19. März im Alter von 96 Jahren in ihrem Haus in Addis Ababa. Für alle die sie kannten, oder, wie wir Ärzte zur operativen Weiterbildung zu ihr geschickt haben: Sie wurde am 23. März auf dem St. Peter and St. Paul Friedhof in Addis beigesetzt.